„Das macht die Mama!“ – in den deutschen Top-Ten der meistgebrauchten Elternsätze dürfte diese glasklare Ansage ziemlich weit vorne liegen.
Viel zu weit, findet Ulrike Peters, Pädagogin aus Flensburg: „Eltern – besonders Mütter – neigen heute viel selbstverständlicher dazu, sich als 24-Stunden Serviceunternehmen zu begreifen: die Kinder werden bespaßt, begleitet und bekocht, mögliche Stolpersteine werden blitzschnell ausgemacht und augenblicklich entfernt. Die Freiheit, eigene Erfahrungen machen zu können, Gelegenheiten zum Ausprobieren sind in einem normalen Kinderalltag manchmal ausgesprochen dünn gesät.“
Dabei fußt die eifrige elterliche Fürsorge nicht immer auf purem Uneigennutz: oft soll der schnelle Einspruch zwischendurch einfach nur verhindern, dass der ohnehin oft stressige, prall mit Terminen, Verpflichtungen und Verabredungen angefüllte Tagesablauf vollends aus den Fugen gerät.
Eine Vierjährige, die kurz vor knapp beim Kuchenbacken mithelfen will?
„Das macht die Mama!“ – zumindest lieber, als hinterher noch hastig den Küchenboden zu wienern und der örtlichen Hauskatze aus dem Teigmantel zu helfen.
Ein Knirps, die sich mit Eimer und Schrubber im Bad zu schaffen macht?
„Das macht die Mama“ – bevor dem kleinen Schaumschläger das Wasser bis zum Hals steht.
Fest steht: was Mama lieber gleich selber macht, schnell und routiniert, kostet deutlich weniger Zeit und Nerven. Aber geht die Rechnung auch langfristig auf?
Spätestens in den Untersuchungen, die dem Schuleintritt vorausgehen, rächt sich die zunehmende Verschiebung wichtiger Erfahrungen auf eine vorwiegend virtuelle und theoretische Ebene. Wo im Alltag reelle Möglichkeiten zum selbstständigen Handeln fehlen, fliegen knapp vorm Ernst des Lebens ungeahnte kleine Bildungslücken auf.
„Nie war der Run auf vielversprechende, oft teure Frühförderprogramme so groß wie heute“, so Peters. „Aber so manches kleine Sprachgenie, mancher Vorschul-Computercrack weist im motorischen Bereich Defizite auf, die schon der Behandlung durch Fachleute bedürfen. Und nicht selten kommt ein Therapiezirkus in Gang, aus dem es so schnell kein Entrinnen gibt!“ Ergotherapie, Physiotherapie & Co.: die Kinder, die ganz ohne Behandlungsplan davonkommen, werden weniger.
Sind daran allein die Eltern, die Mütter schuld? „Natürlich nicht“, weiß Ulrike Peters. „Der veränderte Umgang mit der Kindheit zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Gesellschaft. Das Leben ist einfach insgesamt schneller, komplexer, unübersichtlicher geworden. Irgendwo zwischen Arbeit und Familie eine Prise Gelassenheit aufzutreiben, ist eine echte Herausforderung – der wir uns trotz allem stellen sollten.“
Denn schon 10 Minuten tägliches mithelfen-dürfen, zum Beispiel bei der Vorbereitung einer gemeinsamen Mahlzeit, schulen bei Kindern nachhaltig und gezielt Fein- und Grobmotorik, Ausdauer, Konzentration, Koordination und Visumotorik. Ganz nebenbei entwickeln sich Geschicklichkeit und Selbstvertrauen, wird die Wahrnehmung für logische Arbeitsabläufe geschult.
Schnippeln, schneiden, Tisch decken: das macht nicht nur ungeheuerlich stolz und richtig viel Spaß, sondern auch geschickt und schlau.
Und wer knöpft sich später den Küchenboden vor?
Natürlich der Knirps mit dem Schrubber.
Und was macht die Mama? Einatmen. Ausatmen. Und den ganz normalen Wahnsinn des modernen Alltags für einen Moment etwas gelassener nehmen.
Kleckern gehört zum Handwerk!
10. Juni 2011 | Keine Kommentare