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Eine Überbemutterung ist nie das Beste für das Kind.

Helikopter-Eltern

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Mit dem Ende der 1960er Jahre geprägten bildhaften und in der Regel negativ besetzten Begriff „Helikopter-Eltern“ werden sowohl umgangssprachlich als auch im Fach-Diskurs Eltern bezeichnet, denen eine bestimmte Form der Übervorsorglichkeit in Bezug auf ihre Kinder zugeschrieben wird. Nicht nur Klein- und Schulkinder sind von Helikopter-Eltern betroffen, sondern im zunehmenden Maße auch Studierende und andere Erwachsene.

Psychologen weisen auf den Zusammenhang zwischen dem auch „Over-Parenting“ genannten Phänomen der Helikopter-Eltern und psychischen Störungen bei den übervorsorglich behandelten Kindern, aber auch bei den entsprechenden Eltern hin.

Behütung und Einmischung

Typisch für Helikopter-Eltern ist es, wie ein Straßenverkehrs- oder Polizei-Hubschrauber ständig überwachend in der Lebenswelt ihrer Kinder präsent zu sein. Dabei spielt der Schutzaspekt der Gefahrenabwehr eine wesentliche Rolle. Der andere charakteristische Gesichtspunkt bei dem insbesondere in Mittelschicht-Familien zu beobachtenden Helikopter-Eltern-Verhalten ist die Neigung, sich ständig und in oft übertriebener und grenzüberschreitender Form in das Leben der Kinder einzumischen. Dabei nehmen Eltern in Kleidung und Ausdrucksform zumindest phasenweise gern die Haltung von „älteren Geschwistern“ an, die als „Kumpel“ auf ihre kleinen Geschwister aufpassen. Etwa 10 % der Eltern gelten in Deutschland als Helikopter-Eltern.

Sonderproblem Helikopter-Eltern von Erwachsenen

Eine seit etwa 20 Jahren als Massenphänomen wahrgenommene Variante des Helikopter-Eltern-Problems ist dessen zeitliche Ausweitung über das Ende der Schulzeit hinaus. Eltern, die bei universitären Begrüßungsveranstaltungen für Erstsemester anwesend sind, gelten mittlerweile als normale Erscheinungen. Aber viele Eltern begleiten ihre Kinder auch zu Vorlesungen, recherchieren für sie Seminararbeiten und organisieren für sie den Studienalltag. Personalentscheider sehen sich bei Einstellungsgesprächen nicht selten mit von ihren Eltern begleiteten 25-jährigen Bewerbern konfrontiert.

Gründe und Folgen

Die Gründe für diese Form der Überbehütung werden von einigen Experten im Mangel an Anerkennung, den viele Eltern in ihrem Leben erfahren haben, sowie im Zusammenhang mit einem Gefühl der Orientierungslosigkeit angenommen. Diese Defizite versuchen diese Eltern durch Konzentration auf das Leben ihrer Kinder zu kompensieren. Dabei geht es nach dem Selbstverständnis der Eltern um das Lebensglück der Kinder, die es materiell „einmal besser haben sollen“ oder doch zumindest den aktuellen Standard halten können sollen. Die aber auch in seelischer Hinsicht glücklich sein sollen. Dabei werden allerdings zumeist eigene Vorstellungen der Eltern von Glückssuche und Lebensplanung bewusst oder unbewusst in den Vordergrund gestellt. Die eigene Regelungskompetenz wird überschätzt. Im Gegenzug wird die Kompetenz der Kinder, ihr Leben eigenständig zu regeln, gering geschätzt wie auch die Kompetenz von familienexternen Instanzen wie Kindergarten und Schule stets überkritisch hinterfragt wird.

Ferner sind auch gesellschaftliche Veränderungen mitursächlich für die Ausbildung des Helikopter-Eltern-Phänomens. Dazu zählen unter anderem der Trend zur Kleinfamilie, durch den die früher übliche soziale Aufsicht durch Mitgeschwister und andere Verwandte weggefallen ist. Das durch lange Schulzeiten, durchorganisierte Angebote und neue Medien veränderte Freizeitverhalten der Kinder und Jugendlichen fördert Vereinzelung und verhindert spontanes Gruppenerlebnis. Als Folge wurde die Rolle der Eltern als Freizeitbegleiter beziehungsweise -überwacher größer.

Daneben haben aber auch breite und kontrovers diskutierte Problematisierungen von Fragen der Erziehung in der Öffentlichkeit zu Verunsicherungen geführt, die bei vielen Eltern im Ergebnis zu ängstlichen Überbehütungsreflexen geführt haben mögen.

Bei den betroffenen Kindern kann diese Art der Überbehütung zu einer Sonderform der psychischen Verwahrlosung führen, zu deren Folgen oft Bindungsunfähigkeit, Unfähigkeit, den eigenen Alltag organisieren zu können, Verantwortungslosigkeit, Depressionen, Narzissmus und Minderwertigkeitskomplexe gehören. Auch sind bei überbehüteten Kindern im Erwachsenenleben häufig mangelnde Risikobereitschaft, hohe Anspruchshaltung und geringes Eigenengagement festzustellen.

Eine Überbemutterung ist nie das Beste für das Kind.

Lösungsansätze

In der Fachwelt wird als Gegenentwurf zu den Helikopter-Eltern unter anderem die Forderung nach klaren hierarchischen Strukturen in den Eltern-Kind-Beziehungen ohne den „Kumpel“-Effekt diskutiert. Andere Stimmen sehen in einem innigen freundschaftlich-liebevollen Kontakt zwischen Eltern und Kind kein Problem, solange das Kind altersgemäß im zunehmenden Maße in den ihn betreffenden Bereichen, also vor allem Freundeskreis, Schule und Freizeitgestaltung, weitgehend autonom sein kann. Kinder haben das Recht, Fehler zu machen und müssen auch eigene Fehler machen, um daraus zu lernen und eigene Verantwortung übernehmen zu können. Die Rolle der Eltern bei dieser Entwicklung ist durchaus wichtig, sollte sich aber im Wesentlichen zunehmend zurückhaltend auf Gesprächsangebote, Wertevermittlung und Schaffung eines stabilen Familien-Hintergrundes konzentrieren.

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